Tüv Gutachten zu Meßstationen voller Fehler – Niedersachsen: Neubewertung der Nox Werte soll Fahrverbote verhindern
Die Umweltministerin feiert das Tüv Gutachten als einen politischen Erfolg und sieht die Debatte um die Messstationen, Nox und Diesel PKW als beendet an, obwohl die Prüfer gar nicht in Osnabrück gewesen sind, erhebliche Meßwertungenauigkeiten bestehen und die Werte nach ursprünglicher EU Verordnung gar nicht in einer engen Straßenschlucht gesammelt werden dürften.
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NOZ: Luftmessstationen in Osnabrück stehen richtig?
Anders als die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) gibt sich die deutlich investigativere FAZ.net hiermit nicht zufrieden, sondern attestiert am 14.7.2019 dem Tüv Gutachten viele „Lücken“ und hinterfragt bei Fehlertoleranzen von bis zu 30 Prozent die Messmethodik: „Legte man diese Fehlertoleranz übrigens allgemein an die Messstationen an, dann überschritten in Deutschland nicht 57 Städte die Stickoxid-Grenzwerte, sondern nur noch 11.“ Die Faz moniert auch, dass der TÜV viele Fragen zu den Messstationen nicht zuverlässig beantworten kann, zumal die Mehrzahl der Messstationen überhaupt nicht vor Ort gesehen worden sind: „Die Stickoxid-Messstationen stehen richtig, sagt die Umweltministerin. Das muss man ihr nicht glauben. Schließlich entschieden die Prüfer in vielen Fällen nur nach Aktenlage und waren gar nicht vor Ort.“
FAZ.net: Stickoxide: Tüv Gutachten zu Messstationen ist voller Lücken
Bereits im Juni hatte der Focus gewarnt: „Behörden verschweigen wichtige Details zu Messstationen“. Der Dipl. Ing. Martin Schraag attestierte hier:“ Ein Immissionsmessgerät für NO2 muss nämlich den Alarmschwellwert von 400μg/m³, den 1-Stunden-Grenzwert von 200μg/m³ und den Langzeitgrenzwert von 40μg/m³ abdecken. Der in Fahrverbotsurteilen kritische Bereich von 40μg/m³ liegt also am unteren Ende eines zehnfachen Messbereichs. Für Messtechniker ist klar: Das kann ein Problem für die Genauigkeit sein. Man wiegt schließlich einen Brief auch nicht mit der Personenwaage.“
Fassen wir also zusammen: Stickoxide sind sich schnell verflüchtigende Gase, d.h. sie verteilen sich in der Umgebungsluft sehr schnell, so dass die Konzentrationen schon nach wenigen Metern sehr stark abnehmen. Es kommt also bei den Messungen weiterhin auf jeden Zentimeter an, wer also zu nah am Auspuff misst, bekommt zu hohe Werte. Bei kurzfristiger Exposition stellen diese Werte keine wirklichen Gesundheitsgefahren dar: Wer zu Weihnachten Kerzen ansteckt, raucht oder in der Küche die Fritöse bedient, erreicht leicht das 1000fache des Grenzwertes – für kurze Zeit kommen Menschen also problemlos mit höheren Stickoxid-Konzentrationen zurecht. Selbst die 20 fache Menge werden 8 Stunden täglich, 5 Tage die Woche arbeitsmedizinisch als unproblematisch angesehen. Am Arbeitsplatz dürfen Schweizer sogar jenem berühmten MAK-Wert von 6000 µg/m3 ausgesetzt sein – hängt Gesundheit also vom Pass ab ?
Die typisch deutsche und EU-weit einmalige realitätsfremde Interpretationen der Brüsseler Vorgaben stößt hier allerdings an ihre Grenzen und dies nicht erst seit Oldenburg, wo z.B. ohne Verkehr zu hohe Werte gemessen worden sind.
NWZ: Steht die Oldenburger Meßstation falsch ?
Auch in Osnabrück ist man laut Verwaltung bestrebt, möglichst schlechte Werte nah am Fahrbandrand zu messen – in der ursprünglichen ER Richtlinie Richtlinie 2008/50/EG über „Luftqualität und saubere Luft für Europa“ hieß es: „Der Luftstrom um den Messeinlass darf in einem Umkreis von mindestens 270 Grad nicht beeinträchtigt werden“, so die Vorgabe aus Brüssel – übersetzt bedeutet das: Hinter dem Messcontainer muss die Luft frei zirkulieren können.
Nun steht der Container in Osnabrück keine 4 Meter von einer über mehr als 100 Meter reichenden dichten und mehrstöckigen Wohnbebauung und auch die gegenüberliegende Häuserreihe ist durchgängig bis zur OsnabrückHalle und dem Ratsgymnasium geschlossen. Nach der EU-Richtlinie, die europaweit gelten sollte, wäre dies nicht zulässig. Irritierenderweise heißt es 2018 jetzt im TÜV Bericht: „Der Luftstrom um den Messeinlass darf nicht beeinträchtigt werden, das heißt, bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie soll die Luft in einem Bogen von mindestens 270° oder 180° frei strömen…“ D.h. statt 270 Grad freier Zirkulation sind es nur noch 180 Grad, die eingehalten werden „sollten“ statt „müssen.“
Interessanterweise sinkt trotz dieser Bestrebungen des „schlechter Messens“ der Nox Wert in Osnabrück kontinuierlich, auch wenn die NOZ das anders wiedergab und durch die IHK korrigiert werden musste:
Hasepost: N02 Belastung sinkt IHK Osnabrück widerspricht Berichterstattung
Aber macht die „schlechter Messung“ wirklich Sinn ?
Die Studienlage belegt, dass die niedrigen Konzentrationen, über die bei den Fahrverboten gestritten wird, höchstens bei dauerhafter Belastung schaden können. Das heißt in der Realität: Selbst Kinder können gefahrlos an einer vielbefahrenen Straße entlangspazieren und dabei die Luft einatmen, solange sie nicht das ganze Jahr auf der Verkehrsinsel übernachten. So kommt auch der Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages zu folgender Feststellung: „Epidemiologisch ist ein Zusammenhang zwischen Todesfällen und bestimmten No2 Expositionen im Sinne einer adequaten Kausalität nicht bewiesen.“
Keiner behauptet, dass Autoabgase gesund sind – die ständig steigende Lebenserwartung und insbesondere die vielen fitten 80jährigen, die die Feinstaubbelastung des Krieges und die Euro 0 Zeiten überlebt haben, zeigen, dass weniger Agitation und Populismus, sondern eine genau Risikostratifizierung hier Not täte.
Aktuell gibt es zwei unterschiedliche Grenzwerte: Einen recht hohen für die Kurzzeit-Belastung, gegen den Deutschland nicht verstößt sowie einen tieferen für die Langzeit-Belastung, eben die umstrittenen 40 Mikrogramm NO2. In diesem Fall geht es darum, welche Stickoxid-Mengen man Tag und Nacht in der Wohnung einatmet. Deshalb verlangt die EU-Richtlinie, dass an dem Ort mit der höchsten Belastung gemessen wird, der die Menschen über einen „signifikanten Zeitraum“ ausgesetzt sind. Zehn Minuten Radfahren an der Straße oder der Aufenthalt an der Fußgängerampel sind kein signifikanter Zeitraum, wenn es um die Jahresbelastung geht.
Die Neubewertung der NOx Messungen durch den Umweltminister Lies trägt diesen Einschätzungen Rechnung: „Nur in der Nähe der Wohnbebauung ist, wie rechtlich vorgeschrieben, von einem signifikanten Aufenthalt der Wohnbevölkerung im Vergleich zum Mittlungszeitraum des NO2-Jahresgrenzwertes auszugehen. Die dort ermittelten Werte sind maßgeblich für die Jahresbelastung.“